Hausbesitzer in Deutschland investieren noch immer zu wenig in die energetische Gebäudesanierung. Einer aktuellen Analyse des Öko-Institut in Freiburg zufolge liegt das daran, dass es nicht genügend Handwerker gibt, die die Sanierungsaufträge übernehmen können. Ob Heizungs- oder Fensterbau, ob Maler- oder Stuckateurhandwerk – die Betriebe seien so sehr ausgebucht, dass die Energiewende auf der Strecke bleibt, lautet der Vorwurf. Dagegen wehren sich nun die Handwerksbranchen. Die Gründe für den Sanierungsstau liegen ganz woanders.

Stuckateurmeister Rainer König erlebt es Tag für Tag, wie verunsichert seine Kunden sind, wenn es darum geht, Gebäude dämmen zu lassen oder Geld in andere energiesparende Baumaßnahmen zu stecken. Das ewige Hin und Her um die steuerliche Absetzbarkeit, Negativberichte über Brandgefahren von Dämmstoffe und Energiekosten, die in letzter Zeit eher gefallen statt gestiegen sind, würden die Gebäudesanierung genauso hemmen, wie der Wust an Fördermöglichkeiten über KfW und Bafa, die die Politik in den vergangenen Jahren eingeführt und immer wieder verändert hat.

“Wir brauchen endlich den Steuerbonus für energetische Sanierungsmaßnahmen. Viele Hausbesitzer warten darauf”, sagt König, der sowohl als Unternehmer als auch als Bundesvorsitzender des Verbands Ausbau und Fassade spricht. Gleichzeitig betont er, dass sich das Bewusstsein von allen Beteiligten ändern müsse, damit endlich ein Vorankommen spürbar werde. “Wir müssen endlich erkennen, dass es nicht nur darum geht, dass es sich finanziell lohnt. Es geht um unsere Umwelt und wir müssen Energie sparen, um das Klima zu schützen.”


Wartezeiten – ja, dennoch könnte saniert werden

Dem Vorwurf, dass die Energiewende stockt, weil es zu wenige Handwerksbetriebe gäbe, die die nötigen Maßnahmen zum Senken des Energiebedarfs der Gebäude umsetzen, widerspricht Rainer König mit Vehemenz. “Es fehlt nicht an Handwerkern, sondern an der Nachfrage”, sagt er und bezieht dies auf das gesamte Ausbauhandwerk. Natürlich sei ein Fachkräftemangel spürbar und weil die Auftragsbücher voll sind, komme es zu Wartezeiten. “Dennoch würden wir die Sanierungsaufträge, wenn sie denn kämen, dennoch problemlos übernehmen können”, erklärt der Stuckateurmeister.

Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) spricht sogar davon, dass die aktuelle gute Auslastung der Betriebe und die Wartezeiten für die Kunden, der betriebswirtschaftlich gesehen beste Zustand sei. Denn so hätten die Betriebe Planungssicherheit und Kunden könnten eher skeptisch werden, wenn ein Betrieb Arbeiten sofort übernehmen kann – quasi auf Arbeit wartet.”Die Gebäudesanierung stockt, weil nicht investiert wird”, sagt deshalb auch Ilona Klein, die Sprecherin des ZDB.

Frank Ebisch vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) formuliert es so: “Der Vorwurf, das Handwerk bilde den Flaschenhals für die Energiewende, lenkt von den eigentlichen Problemen bei der Umsetzung ab. Sanierungswillige Anlagenbetreiber im Lande warten nicht auf das Handwerk; sie warten auf klare Signale und Anreize von Seiten der Politik.” Natürlich ist die Auslastung der Betriebe gegenwärtig unbestritten hoch. “Aber sie sind aufgrund ihrer handwerklich mittelständischen Prägung auch ausgesprochen flexibel”, fügt er hinzu und erklärt, dass Kapazitäten je nach Dringlichkeit, Materialverfügbarkeit und Baufortschritt verschoben werden könnten.


Gebäudesanierung: Anreize von Seiten der Politik fehlen

Die SHK-Betriebe hätten zudem in den letzten acht Jahren die Zahl der Beschäftigten trotz eines sehr engen Arbeitsmarktes um knapp elf Prozent erhöhen können. Darüber hinaus stellen sich große Teile des SHK-Handwerks arbeitsorganisatorisch neu auf: einfache Routine- und Standardarbeiten – etwa das Verlegen von Fußbodenheizungsrohren – können durch Montage-Kolonnen sowie Nachunternehmer erledigt werden. Fachkräfte der SHK-Betriebe werden dadurch entlastet und für andere fachliche Aufgaben und Arbeiten frei. Weitere Potenziale liegen laut Ebisch in der Prozessoptimierung und in der Digitalisierung.

Der ZVSHK sieht auch den Steuerbonus als dringend erforderlichen Impuls für ein Anwachsen der Sanierungsquote – ob im Heizungskeller oder durch andere Maßnahmen. “Millionen Haushalte in Deutschland wollen Steuern sparen und zugleich in Energieeffizienz investieren. Es ist daher dringend an der Zeit, dass die neue Bundesregierung endlich die vom Handwerk schon lange geforderte steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung auf den Weg bringt”, sagt der Verbandssprecher. An mangelnder Kapazität im SHK-Handwerk werde die Gebäudesanierung nicht scheitern.


100.000 Handwerker fehlen für Sanierungsarbeiten

Genau davor hatte jedoch erst vor kurzem das Öko-Institut gewarnt und die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, die zeigen, dass ab sofort zusätzlich rund 100.000 Handwerker im Fensterbau und für Heizungsinstallationen und Maler- und Stuckateurarbeiten eingesetzt werden müssten, damit die Klimaziele im Jahr 2050 erreicht werden könnten. Das Ziel ist eine Verringerung der CO2-Emissionen in der EU um 80 Prozent gegenüber dem Stand von 1990. Da der Gebäudesektor mit rund 40 Prozent einen großen Anteil am CO2-Ausstoß hat, spielt er dabei eine große Rolle. Um die Klimaziele zu erreichen, wäre eine Sanierungsquote von etwa zwei Prozent nötig. Sie liegt derzeit aber bei nur unter einem Prozent.

Das Ökoinstitut hat Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern danach befragt, wie schwierig es sei, geeignete Handwerksbetriebe für geplante Sanierungsmaßnahmen zu finden. Mehr als 40 Prozent der Befragten hätten angegeben, dass sie dabei Probleme hatten – entweder hätten sie kein geeignetes Angebot erhalten oder weniger Angebote als angefragt.
Für seine Analyse hat das Öko-Institut dann Daten zu Investitionen in die energetische Gebäudesanierung mit Beschäftigungszahlen im Handwerk zusammengeführt. Danach wären jährlich etwa 40 bis 50 Milliarden Euro nötig, um Altbauten so zu sanieren, dass sie die angestrebten 80 Prozent Einsparung bei den Treibhausgasen erreichen. “Die Statistiken im Handwerk zeigen zugleich, dass die Beschäftigungszahlen bei den genannten Gewerken nicht nennenswert steigen, seit die Bundesregierung im Herbst 2010 ihr Energiekonzept und damit ihr Klimaziel für den Gebäudebestand verabschiedet hat”, teilt das Institut mit.

Rainer König berichtet dagegen von seinen Erfahrungen, seitdem die Gebäudesanierung versucht wird voranzutreiben: “Die Bundesregierung hat den Hausbesitzern viele Versprechungen gemacht und anfangs war auch spürbar, dass Viele Sanierungen planen, aber dieses Interesse ist schnell wieder gebremst worden, weil Keiner Sicherheit hat, welche Förderungen in der Tat bestehen bleiben”, so der Verbandsvorsitzende des Ausbauhandwerks.
Auch Frank Ebisch sieht, dass etwas geschehen muss, damit die Sanierungsquote steigt und der Mangel an Fachkräften stelle dabei eine Herausforderung dar. Doch diese kann die Branche auch als Chance sehen. So formuliert es eine weitere aktuelle Studie zum Thema. So hat das Prognos-Institut im Auftrag des Spitzenverbandes der Gebäudetechnik VdZ den Effekt der Energiewende auf das Fachkräfteangebot in der Branche Sanitär Heizung Klima (SHK) analysiert.

Auch diese Analyse sieht, dass Mehrinvestitionen und neue Mitarbeiter nötig sind für das Erreichen der Klimaziele. Im SHK-Handwerk seien das rund 35.000 neue Fachkräfte. Doch VdZ-Geschäftsführer Dr. Michael Herma spricht dabei nicht von einer unlösbaren Situation, sondern von Chancen für die Branche. Zwar konkurriere die SHK-Branche mit anderen Wachstumsbranchen um die Fachkräfte. “Wenn sie es jedoch schafft, sich als besonders attraktiver Arbeitgeber abzuheben, kann sie vom enormen Investitionspotential durch die Energiewende stark profitieren”, teilt der Verband mit.


Energiewende: So viele neue Mitarbeiter braucht die SHK-Branche

In der SHK-Branche sind derzeit etwa 500.000 Beschäftigte tätig. Davon arbeiten rund 100.000 in der Industrie, ca. 50.000 im Großhandel und ca. 350.000 im Handwerk. Die Prognos-Analyse zeigt, dass sich die Fachkräftelücke bis 2035 verschärft: Der SHK-Branche fehlen dann rund 30.000 Arbeitskräfte. Hinzu kommt hier die Energiewende als potentieller weiterer Treiber für den Fachkräftemangel.

Angestrebt wird ein klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050. Zur Erreichung dieses Ziels müssen zukünftig jedes Jahr 12 bis 13 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden. Dies wurde bereits im Rahmen der Energieeffizienzstrategie Gebäude im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums 2016 durch Prognos ermittelt. Die neue Studie zeigt jetzt: zur Umsetzung werden bis zu 130.000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigt. Auf die SHK-Branche entfallen dabei bis 2025 20.000 und langfristig 15.000 zusätzliche Beschäftigte

Quelle: Prognos


Zu diesen Ergebnisse sagt Frank Ebisch: „Die Prognos-Studie belegt die Bedeutung der SHK-Branche und des SHK-Handwerks für die Umsetzung der politisch gewollten Energiewende.“ Natürlich würden die Betriebe beim Werben um ausbildungsfähige Jugendliche mit allen anderen Branchen konkurrieren. Zudem kämpft das Handwerk gegen eine zunehmende Akademisierung, die im Moment die Hochschulen füllt. “Das sind Realitäten, mit denen wir fertig werden müssen”, so der Branchensprecher.


Kleine und mittlere Betrieben stemmen die Gebäudesanierung

Auch eine Studie des Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. München (FIW) im Auftrag des BuVEG Bundesverbandes energieeffiziente Gebäudehülle formuliert das aktuelle Geschehen durchaus mit einem positiven Ansatz für die Branchen, die mit der Gebäudesanierung zu tun haben. “Rund 215.000 zusätzliche Arbeitsplätze können im Bauhandwerk entstehen, wenn zur Erreichung der Klimaziele der Gebäudebestand bis 2050 energetisch modernisiert wird”, schreiben die Studienautoren. Sie gehen dabei von einer erforderlichen Erhöhung der Sanierungsquote auf rund 1,6 Prozent jährlich aus, was einer Verdoppelung der aktuellen Quote entspricht. Weitere 67.000 Arbeitsplätze würden dann zudem im Neubau von energiesparsamen Gebäuden entstehen.
Der BuVEG weist darauf hin, dass die Sanierung überwiegend von kleinen und mittleren Betrieben gestemmt werde. Besonders diese Betriebe würden aber nur dann zusätzliche Mitarbeiter einstellen, wenn die wirtschaftliche Entwicklung planbar sei. Dafür müssten auch die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Auch nach Angaben dieses Verbands vernachlässige die Bundesregierung die Förderung der energetischen Sanierung.

 


Quelle: DeutscheHandwerksZeitung / Von Jana Tashina Wörrle

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